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Die Klimaschutzorganisation GermanZero hat mit zahlreichen Expertinnen und Experten, Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen ein Gesetzespaket in Maßnahmenform verfasst, um Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen. In diesem Maßnahmenpaket spielt natürlich auch der Bereich Gebäude und Wohnen eine sehr große Rolle. heizung.de hat mit der zuständigen Referentin für Klimapolitik der NGO, Anna Heinen, gesprochen.
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Anna Heinen: Wir haben gerade unseren fast 500 Seiten umfassenden Maßnahmenkatalog vorgestellt. Darin finden sich die wichtigsten Maßnahmen für jeden Sektor – Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Wärme und Landwirtschaft – die es uns ermöglichen, Deutschland schon bis 2035 klimaneutral zu machen. Unterstützt wurden wir bei der Erarbeitung von Hunderten ehrenamtlichen Recherchierenden und Expert*innen. Daneben haben wir die Maßnahmen noch einmal in kürzerer Form in einem Magazin zusammengestellt. Wer sich dem Thema eher spielerisch nähern will, kann sich in einem von uns entwickelten Spiel in die Rolle der Bundeskanzler*in hineinversetzen und selber testen, welche Maßnahmen welche Wirkung haben.
Als nächsten Schritt werden wir die einzelnen Maßnahmen aus unserem Maßnahmenkatalog in konkrete Normen übersetzen. Dieses Gesetzespaket zeigt: Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ist möglich, wir brauchen nur den politischen Willen, die erforderlichen Maßnahmen auch umzusetzen. Das Gesetzespaket kann als Blaupause dienen für die Gesetze, die wir nun dringend brauchen.
Anna Heinen: Viele Menschen sind sehr sensibilisiert für das Thema Klimaschutz und wollen etwas verändern. Den allermeisten ist auch klar, dass wir handeln müssen, damit die Erde für Menschen bewohnbar bleibt. Es müssen aber die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit klimaschützendes Verhalten zur Normalität wird und nicht eine Entscheidung Einzelner bleibt, die sich das auch leisten können. Im Gebäudebereich bedeutet das etwa, dass energetische Modernisierungen auch für die Einzelnen wirtschaftlich sein müssen und sich ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern beim Heizen lohnen muss.
Anna Heinen: Was die Bundesregierung vorhat, reicht leider nicht aus. Das hat ja kürzlich auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Mit den derzeitigen politischen Maßnahmen steuern wir auf eine Erhitzung von mehr als 1,5 Grad Celsius zu. Eine solche Erhitzung birgt aber die Gefahr, dass wir Kipppunkte erreichen, die zu einer weiteren, unkontrollierbaren Aufheizung der Erde und der Zerstörung vieler Ökosysteme führen.
Anna Heinen: Wir sind bei der Entwicklung unseres Maßnahmenpakets auf großes Interesse gestoßen. Alle Expert*innen, die wir angesprochen haben, waren durchweg begeistert von unserem Projekt und haben uns intensiv unterstützt. Es geht jetzt darum, auch bei Politiker*innen aller Parteien, die grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zur Klimakrise nicht leugnen, für unsere Maßnahmen zu werben. Unser Paket zeigt: wir können der Klimakrise durch intelligente Maßnahmen begegnen.
Anna Heinen: Uns ist es wichtig, keiner Technologie den Weg zu versperren, sofern sie nicht dem Klima schadet. Biomasse als Brennstoff sehen wir jedoch kritisch: Um das bei der Verbrennung von Holz freigesetzte CO2 durch Aufforstung wieder zu binden, braucht es oft Jahrzehnte. Der Anbau von Energiepflanzen ist zudem unter ökologischen Gesichtspunkten problematisch.
"Uns ist es wichtig, keiner Technologie den Weg zu versperren, sofern sie nicht dem Klima schadet."
Im Einzelfall kann das Heizen mit synthetischen Gasen für ein Gebäude der richtige Weg sein. Der Stromverbrauch bei der Erzeugung synthetischer Brennstoffe ist aber deutlich höher als beim Betrieb einer Wärmepumpe. Auch werden synthetische Brennstoffe in Zukunft wahrscheinlich knapp sein. Deshalb finden wir es überzeugend, dass strombasierte synthetische Brennstoffe vor allem dort eingesetzt werden sollten, wo sie in Zukunft nicht ersetzt werden können, nämlich in der Industrie und der Luftfahrt. Im Gebäudebereich sollte die Wärmeerzeugung überwiegend über Wärmepumpen erfolgen. Vor allem lässt sich aber viel Heizenergie sparen, wenn deutlich mehr Gebäude energetisch saniert werden als bisher.
Anna Heinen: Die überwiegende Anzahl der Gebäude sollte ausreichend gedämmt sein – dann muss unter Umständen gar nicht mehr oder nur noch ganz wenig geheizt werden. Der verbleibende Bedarf wird dann überwiegend mit Wärmepumpen abgedeckt. In bestimmten Bereichen werden auch bestehende Wärmenetze weiterhin eine Rolle spielen, etwa dort, wo der Einsatz von Wärmepumpen auf Schwierigkeiten stößt und Gebäude sich nur schwer dämmen lassen.
Anna Heinen: Diejenigen Gebäude, die in den nächsten Jahren neu gebaut werden, sollten höchsten energetischen Standards genügen. Das lässt sich bei Neubauten auch relativ kostengünstig realisieren. Vor allem ist es aber wichtig, dass die bestehenden Gebäude mehr gedämmt werden, um den Energiebedarf abzusenken. Das größte Einsparpotenzial bietet sich bei den Gebäuden, die vor 1978, d.h. vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung, erbaut wurden. Aber auch Nichtwohngebäude müssen in den Blick genommen werden. Im Zuge der Modernisierung der Gebäudehülle bietet sich dann auch eine Erneuerung der Anlagentechnik und ein Umstieg auf eine Wärmepumpe an.
Darüber hinaus müssen wir aber auch verstärkt den gesamten Lebenszyklus der Gebäude in den Blick nehmen. Betrachtet man die grauen Emissionen, also diejenigen, die bei der Herstellung der Baustoffe und der Errichtung des Gebäudes entstehen, so stellt es sich aus Sicht des Klimaschutzes als günstiger dar, Bestehendes zu erhalten, als es abzureißen und neu zu bauen. Wird neu gebaut, dann sollte eine kreislauffähige Bauweise gewählt werden.
Im Zuge der Modernisierung der Gebäudehülle bietet sich ein Umstieg auf eine Wärmepumpe an.
Anna Heinen: Zunächst einmal profitieren Hauseigentümer*innen von Sanierungen, weil sie das Gebäude aufwerten. Für viele sind die hohen Kosten aber kaum oder gar nicht zu stemmen. Hier müssen die Rahmenbedingungen noch verbessert werden. Die gestiegene Zahl der Antragstellungen seit der Verbesserung der Förderung im Rahmen der Bundesförderung energieeffiziente Gebäude (BEG) zeigt, dass Förderungen durchaus ankommen. Steuerliche Anreize sollten hinzutreten.
Außerdem brauchen wir einen steigenden CO2-Preis, der die wahren Kosten der Verbrennung fossiler Energieträger sichtbar macht. Zugleich sollte Strom günstiger werden, indem die EEG-Umlage abgeschafft wird und die Stromsteuer abgesenkt wird [Anm. d. Red.: Beides, der steigende CO2-Preis und das Abschaffen der EEG-Umlage wurde inzwischen umgesetzt; Stand 06/2023]. Dann fällt die Entscheidung für eine Wärmepumpe deutlich leichter. Darüber hinaus sprechen wir uns für zielgenaue ordnungsrechtliche Maßnahmen aus, etwa eine Sanierungsverpflichtung für besonders ineffiziente Gebäude wie sie auch in anderen Ländern diskutiert wird oder teilweise bereits existiert.
Anna Heinen: Wir arbeiten derzeit pandemiebedingt alle größtenteils im Home Office, dennoch tauschen wir uns intensiv im Team der Klimapolitik sowie mit den anderen Teams aus. Regelmäßig halte ich auch Rücksprache mit unseren Ehrenamtlichen, die uns wirklich sehr unterstützen. Ich beschäftige mich derzeit mit Feedback zu unserem Maßnahmenkatalog und werde bald in die Normierung unserer Maßnahmen einsteigen.
Anna Heinen: Ich habe sehr viel gelernt und sehr viele spannende Menschen kennengelernt. Mir ist darüber hinaus klar geworden, dass eine Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius tatsächlich noch möglich ist. Es liegt eine riesige Aufgabe vor uns allen, aber sie ist machbar! Dabei geht es weniger darum, dass Einzelne auf bestimmte Dinge verzichten, sondern dass wir systemische Veränderungen gemeinsam angehen.
Mehr zu GermanZero und den Eckpunkten des Gesetzespakets finden Sie auf https://www.germanzero.de/.
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