Im Interview: Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff von der Hochschule Biberach
Energie und Ressourcen effektiv nutzen. Dafür müssen Strom- und Wärmeversorgung auch erneuert werden. Wie dies am besten umzusetzen ist, lässt sich auf verschiedenen Wegen bestreiten. Prof. Roland Koenigsdorff von der Hochschule Biberach begleitet unter anderem Projekte, die eine sogenannte thermisch-energetische Simulation als Grundlage nutzen. Wie das genau funktioniert und wie eine solche computerbasierte Berechnung in der Praxis dann letztlich umgesetzt wird, erfahren Sie in unserem Experteninterview.
Herr Prof. Koenigsdorff, Sie begleiten diverse Projekte mit dem Schwerpunkt der thermisch-energetischen Simulation von Gebäuden. Was können sich unsere Leser darunter vorstellen?
Für jede Zone wird berechnet, wie viel Wärme zu- und abgeführt wird und welche Temperatur sich daraus für die Räume ergibt. Das beeinflusst letztlich auch die thermische Behaglichkeit für die Bewohner. Dabei werden alle wesentlichen Energieströme berücksichtigt:
- Sonneneinstrahlung
- Wärmeabgabe von Personen, Beleuchtung und Geräten
- Wärmeverluste (oder im Sommer Gewinne) aus der Lüftung sowie durch Fenster und Wände
- Einfluss der Heiz- und Kühleinrichtungen.

Das klingt sehr theoretisch, wie kann diese Simulation auch in der Praxis Anwendung finden?
Ergänzend beziehungsweise in direkter Kopplung mit der TEG gibt es auch die thermisch-energetische Anlagensimulation (TEA). Dabei werden Lüftungs- und Klimaanlagen sowie Wärme- und Kälteerzeugungsanlagen für Gebäude und ganze Areale im Hinblick auf ihre Auslegung, ihren Energieverbrauch sowie ihre Regelung und Betriebsführung untersucht.
Da eine solche Simulation einen gewissen Aufwand bedeutet, wird sie in der Praxis vor allem bei komplexeren und größeren Gebäuden angewendet. Beispielsweise in Büro-, Labor- und Produktionsgebäuden oder unter anderem auch in Veranstaltungshallen. In der Wissenschaft umfasst der Anwendungsbereich der TEG grundsätzlich alle Gebäudetypen. So wurden Passivhäuser in Deutschland zuerst simuliert, bevor sie gebaut wurden.
Können Sie etwas zum sogenannten virtuellen Stromspeicher an der Hochschule für Polizei in Biberach sagen?
Was wurde geändert?
Welche Vorteile bringt dies mit sich?
Wie wird dabei virtuell Strom gespeichert?
Wäre eine solche Anlage aus BHKW, Wärmepumpe und Durchlauferhitzer auch für ein Wohngebäude denkbar (Mehrfamilienhaus)? Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?
Im Mittelpunkt dieser Projekte steht eine fast schadstofffreie Energieversorgung. Sie tragen zur Energiewende bei. Was sollte sich Ihrer Meinung nach grundsätzlich ändern, damit die Energiewende gelingen kann?
Wo sehen Sie bereits jetzt Fortschritte?
Was muss sich Ihrer Meinung nach noch ändern?
Die großen Herausforderungen sind jedoch die Sektoren Wärme und Verkehr. Wir brauchen deutlich mehr Anreize, Unterstützung, aber auch klare Anforderungen für die energetische Sanierung und den Einsatz erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung im Gebäudebestand. Auch müssen noch schlummernde Potenziale wie zum Beispiel bei der Geothermie wesentlich besser erschlossen werden.
Beim Verkehr brauchen wir eine Wende des Verkehrssystems, die über Elektroantriebe hinausgeht, das heißt grundsätzlich weniger Individualverkehr mit PKWs sowie innovative Lösungen für den Transportsektor.
Haben Sie Tipps für unsere Leser, wie sie aktiv zur Energiewende beitragen können? Was haben Sie in Ihren eigenen Alltag integriert bzw. geändert, um die CO2-Emission zu reduzieren?
Daneben haben wir eine Photovoltaik- und eine solarthermische Anlage zur Trinkwassererwärmung sowie Heizungsunterstützung. Den Stromverbrauch konnten wir über die Jahre spürbar reduzieren: Austausch von Heizungspumpen, Kühlschrank oder Leuchtmitteln durch möglichst energieeffiziente Geräte sowie Steckerleisten mit Schalter, die auch betätigt werden. Aber es bleibt noch viel zu tun: das Haus verbraucht noch zu viel Wärme.
Ich denke, jede einzelne Person kann und sollte zur Energiewende beitragen. Zunächst persönlich durch sparsames Verhalten bei Strom, Wärme und vor allem auch im Verkehr. Wenn ich eine Strecke mit dem Fahrrad fahre, tue ich gleichzeitig etwas für die Gesundheit. Bei der Ernährung ist es genauso. Zum Beispiel ist es sinnvoll, weniger Fleisch zu essen, ohne dass man gleich zum Vegetarier werden muss. Wenn es um anspruchsvolle Fragen wie eine Gebäudesanierung geht, sollte man unbedingt professionelle Beratung in Anspruch nehmen und sich z. B. einen individuellen Sanierungsfahrplan erstellen lassen.
Daneben ist aber auch bürgerschaftliches Engagement im persönlichen und weiteren Umfeld gefragt: Wie trage ich zu einer sachlichen Diskussion zu neuen Windkraftanlagen und Stromleitungen bei, sodass für Befürworter und Gegner tragbare Lösungen gefunden werden? Welche Bedenken diesbezüglich und auch in Bezug auf bestimmte Technologien sehe ich als berechtigt und welche sind nicht wirklich begründet? Sind Gemeinschaftslösungen in der Wärmeerzeugung zum Beispiel mit Nahwärmenetzen eine sinnvolle Alternative für die Gemeinde, das Quartier, die Stadt, in der ich lebe? Wie weit kann und will ich mich persönlich, finanziell und politisch für die Zukunft der Energieversorgung, des Klimas und der Verfügbarkeit von Ressourcen engagieren?
Vielen Dank für das Gespräch!
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